Auerhaus | Bov Bjerg

Vor einer Weile saß ich beim Sonntagsfrühstück, mümmelte genüsslich bäckerfrische Brötchen und hörte dabei eine alte Folge des Podcasts Fest & Flauschig. In dieser Folge empfahl Olli Schulz ein Buch. So hörte ich von „Auerhaus“ und war beim Blick auf die Buchrückseite an den Sommer des Jahres 2006 erinnert. Ich denke dabei an laue Grillabenden, Nachmittage am See und die Verabschiedung jener Freunde, die nach dem Abitur etwa nach Süddeutschland oder ins ferne Australien gingen. Es war eine Zeit voller Umbrüche, Veränderungen und Ungewissheiten. Vom Buch versprach ich mir eine Geschichte, die diese Gefühle beschreibt.

Inhalt:

Nach Frieders Suizidversuch beschließen die angehenden Abiturienten Höppner, Vera und Cäcilia eine gemeinsame WG mit ihm zu gründen, um ihn vor sich selbst zu schützen. Beim Einzug in das alte, leerstehende und etwas heruntergekommene Haus von Frieders Großvater ertönt aus dem Radio das Lied Our House der Band Madness. Ein anwesender Bauer aus der Umgebung, der des Englischen nicht mächtig ist, spricht den Song ganz einfach Auerhaus aus. Die WG nennt sich und das gemeinsame Haus von nun an Auerhaus, was dem Buch auch seinen Titel gibt.

Die Charaktere der einzelnen WG-Bewohner könnten unterschiedlicher nicht sein. Höppner, der im Buch als Erzähler auftritt, wirkt aufgeweckt und offen, teilweise aber auch ziemlich desinteressiert im Hinblick auf sein weiteres Leben. Seine Freundin Vera, mit der er eine platonische Liebesbeziehung führt, scheint sich im Hinblick auf gängige, gelebte Beziehungsmodelle noch nicht ganz sicher zu sein und möchte sich sexuell ausleben. Frieder entstammt einer bäuerlichen Familie, ist sehr intelligent, aber wird von schweren Depressionen geplagt. Die aus sehr guten Verhältnissen stammende Cäcilia wird als ruhig und unauffällig beschrieben. Sie scheint eher dem Typus einer Mitläuferin zu entsprechen, die sich von der WG auf Zeit einen Ausbruch aus ihrem sicheren Zuhause erhofft.

Im Laufe einiger Wochen wird das Vierergespann um zwei Personen erweitert. So ziehen auch Pauline, ein psychisch krankes Mädchen mit Hang zur Pyromanie und der dealende, homosexuelle Lehrling Harry in das Auerhaus ein.

Jeder WG-Bewohner trägt einen Teil zum gemeinsamen Leben bei. So jobbt Höppner neben der Schule auf einer Hühnerfarm und auch Frieder und Vera tragen mit ihren ziemlich skrupellosen und regelmäßigen Ladendiebstählen zum Erhalt des Auerhauses bei. Harry steuert Geld bei, welches er als Bahnhofstricher und Dealer verdient. Dabei scheint immer allen klar zu sein, dass die gemeinsame Zeit im Auerhaus begrenzt ist und sich die Bewohner auf der Schwelle ins Erwachsenenleben befinden. Das Abitur liegt in naher Zukunft und die Frage nach dem Was danach? beschäftigt die Figuren im Buch. Höppner – so scheint es – muss sich der Wehrpflicht beugen, denn es landet die Einladung zur Musterung im Briefkasten. Für Cäcilia steht ein Auslandsaufenthalt auf dem Plan und Frieder möchte, trotz der hervorragenden Schulnoten, eine Fahrradwerkstatt eröffnen.

Bei einer Silvesterparty, die aus dem Ruder läuft, kommt es zu Vorfällen, die das Ende des Auerhauses bedeuten…

Meine Meinung zum Buch:

Gefühle der Unsicherheit, die mich selbst kurz vor, während und nach dem Abitur beschäftigt haben, aber auch die vielleicht naiven Vorstellungen, alles in der Welt sehen und verändern zu können, hat das Buch für mich sehr gut transportiert. Der Autor hat das Gefühlswechselbad aus Ängsten hinsichtlich eines möglichen Scheiterns, Unverwundbarkeitsempfinden und der allgemeinen Aufbruchsstimmung hervorragend in Worte gegossen. Der Hauch von Anarchie, welcher sich durch das gesamte Buch zieht, lässt mich innerlich schmunzeln, da Erinnerungen an eine wilde und freie Zeit wachgerufen wurden.

Dennoch empfand ich es als sehr unrealistisch, dass diese jungen Leute eine solch große Verantwortung für den suizidalen Frieder übernehmen sollten. Den Suizidversuch als Auftakt zu wählen und dabei außer Acht zu lassen, dass es sich dabei um sehr junge Erwachsene handelt, die gerade eben ihre Volljährigkeit erlangt haben, scheint überaus fiktiv. Vielleicht brauchte es aber diesen Schockmoment.

Im Großen und Ganzen liest sich das Buch ziemlich leicht an einem Nachmittag durch, lässt den Lesenden aber auch mit Fragen nach den Gründen des Suizidversuches von Frieder zurück.