Neukölln-Disco

Zweite Woche der coronabedingten Kontaktbeschränkungen.

In letzter Zeit habe ich viel über Freunde, Familie und mich selbst gelernt. Wir sind irgendwie alle näher zusammengerückt. Nicht auf physischer, sondern auf emotionaler Ebene, ganz klar! Man zeigt sich jetzt noch mehr von seiner ehrlichen Seite und spricht ungeschönt über die Dinge und tut all dies mit einer gesunden Dosis Ungezwungenheit. Irgendwie muss man mal Dampf ablassen und das gemeinsame Alleinsein verarbeiten. Wir schmieden trotz gedrückter Stimmung gemeinsame Pläne für die Zukunft und geben den schönen Seiten des Lebens Raum. Dennoch gibt es diese speziellen Momente …

Vorgestern war so ein spezieller Moment. Nun gut, es war kein Moment, der ganze Tag bestand nämlich aus einem solchen Moment. Ich war unfähig, ein vernünftiges Ventil zu finden, war mürrisch, ein richtiger Muffel eben. Das Wetter war blöd, meine Haare sahen schrecklich aus (Bad-Hair-Day Nr. 12.310), die Welt war unfair und ich konnte weder meinen Freund noch mich leiden. Nichts half dabei, diese schlechte Laune zu vertreiben.

Das gemeinsame Abendessen bestand zum großen Teil aus Schweigen (meinerseits) und gelangweiltem Rumstochern auf dem Teller (meinerseits). Ich hätte das Unbehagen meines Freundes fast greifen und in Kisten abfüllen können.

Wir hatten das Essen fast beendet. Wie zu erwarten, war meine Laune immer noch unterirdisch. Plötzlich hellte sich das Gesicht meines Freundes auf und ein schelmisches Grinsen huschte über seine Lippen. Er schnappte sich sein Handy und tippte wild darauf herum. Im nächsten Augenblick leuchteten sämtliche Lampen in unserer Wohnung in verschiedenen Farben. Dazu dröhnten die aktuellen indischen Charts aus den Lautsprechern. Warum gerade indische Charts? Na, weil es die Stimmung ungemein hebt! Unser Wohnzimmer verwandelte sich in unsere eigene Neukölln-Disko und die nächsten Minuten tanzten wir. Meine schlechte Laune verflog binnen Sekunden.

Zum Glück hatte ich an diesem Tag meinen Freund und sehr tolerante Nachbarn.